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Vorlesung

Digitale Einführungs­vor­lesung Textdyna­miken in der mittelalter­lichen Literatur im Winter­semester 2021/2022

Die digitale Vorlesungsreihe richtet sich an Studierende und Forschende in Krakau und Leipzig. Sie wurde vom Fachbereich Ältere deutsche Literatur (Prof. Dr. Sabine Griese, Leipzig) eigens für die Institutspartnerschaft als digitale Einführungsvorlesung konzipiert. Die Beiträger:innen der Vorlesungsreihe betrachten Textlektüren unter dem Stichwort der Textdynamiken, die für die Überlieferung der mittelalterlichen Literatur ein dominantes Phänomen darstellen.

Beiträge im Online-Journal #2 veröffentlicht

7 Beiträge der Vorlesungsreihe können im Online-Journal #2 nachgelesen werden und sind dort zusätzlich als PDF verfügbar. 

Ausführliches Programm und Abstracts

28.10.2021

Prof. Dr. Sabine Griese: Textdyna­miken und mittel­alter­liche Literatur. Eine Einführung

Die deutsche Literatur des Mittelalters aus der Zeit zwischen 800 und 1500 ist erstaunlich vielfältig, nicht nur hinsichtlich ihres Themenspektrums, sondern auch hinsichtlich ihrer Textbewegungen und Textveränderungen. Mit dem Titel „Textdynamiken“ soll dies benannt und die Variabilität und Varianz gefasst werden. Die Einführungsvorlesung stellt einige der ‚Klassiker‘ des Mittelalters vor und wird in gemeinsamen Textlektüren diese Beweglichkeit mittelalterlicher Literatur zeigen. Ein Werk ist nicht nur in einer fest gefügten Fassung erhalten, sondern die ‚Überlieferung‘ mittelalterlicher Literatur arbeitet weiter an einem (Autor-)Text. In der ersten Vorlesung soll diese Frage des Textes und seiner medialen Bewegung erläutert und an zwei Beispielen dargelegt werden, es wird um Schneekinder und einen Tristanteppich gehen.

Text: Das Schneekind, in: Novellistik des Mittelalters. Märendichtung, hg., übersetzt und kommentiert von Klaus Grubmüller, Berlin 2011 (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 47), S. 82-93 und S. 1055-1063 (Kommentar).

Beitrag im Online-Journal #2: Textdynamiken und mittelalterliche Literatur – Eine Einführung

18.11.2021

PD Dr. Michael Rupp: Minnesang

Im 12. Jahrhundert kommt an deutschen Höfen eine neue Form gesungener Liebeslyrik auf, die ihre wichtigsten Impulse von provenzalischen und französischen Vorbildern erhält. Sie entwickelt bald eine eigene, sehr breite Tradition und wird zu einer der wichtigsten Repräsentationsformen der höfischen Kultur, was man auch an den prunkvollen Handschriften ablesen kann, in denen Minnesangs bis heute überliefert wird. Gerade an ihnen kann man beobachten, welche Dynamik die Texte in ihrer Überlieferung entwickeln. Das Seminar soll an ausgewählten Beispielen die wichtigsten Formen und Entwicklungsstufen des Minnesangs exemplarisch vorführen.

Text: Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters. Edition der Texte und Kommentare von Ingrid Kasten, Übersetzungen von Margerita Kuhn. Berlin 2011 (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 6), Nr. 17 (Kürenberger, S. 48-51), Nr. 66 (Rudolf von Fenis: Nun ist niht mêre mîn gedinge, S. 146f.), Nr. 111 (Heinrich von Morungen: Ez tuot vil wê, S. 262f.), Nr. 143 (Reinmar: Lieber bote, nu wirbe alsô, S. 348-351), Nr. 176 (Walther von der Vogelweide: Saget mir ieman, waz ist minne, S. 438-441)

Beitrag im Online-Journal #2: Minnesang im Spannungsfeld der Kulturen. Das dynamische Bild der Entstehung einer Gattung

25.11.2021

Prof. Dr. Sabine Griese: Nibelungen­lied und Nibelungen­klage

Das Nibelungenlied (um 1200 verschriftlicht) ist einer der wuchtigsten und eindringlichsten Texte des Mittelalters, dessen Untergangserzählung verstört und auch fasziniert, da sie so unausweichlich erscheint und bereits am Beginn der Erzählung präsent ist. Kriemhild wird von einer anmutigen und selbstbewussten höfischen Königstochter zu einer der Rache verfallenen, grausamen Mörderin (gemacht). Die Literatur des Mittelalters selbst zeigt eine Irritation darüber und das Nachdenken über das Epos in der Überlieferung des Textes auf, in den meisten Handschriften folgt dem Nibelungenlied der Verstext der Nibelungenklage nach, der das Geschehen reflektiert, kommentiert und auf das Leben nach dem Untergang, auf das Bewältigen des Geschehens, die Zukunft der Überlebenden und das Fortleben der Geschichte in der Erinnerung setzt. In punktuellen Ausschnitten und Lektüren werden wir uns diesen Textverbund erlesen.

Text: Das Nibelungenlied und die Klage. Nach der Handschrift 857 der Stiftsbibliothek St. Gallen. Mittelhochdeutscher Text, Übersetzung und Kommentar hg. von Joachim Heinzle, Berlin 2015 (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 51).

Beitrag im Online-Journal #2: ‚Nibelungenlied‘ und ‚Nibelungenklage‘ 

02.12.2021

Dr. Markus Greulich: Hartmann von Aue: Dynamiken des Anfangs. Zum Texteingang von Hartmanns Iwein

Hartmanns von Aue zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstandener Roman ist nach dem Erec sein zweiter Artusroman in deutscher Sprache. Er berichtet vom jungen Ritter Iwein, der an einer wunderbaren Quelle den Herrscher des Quellenreichs tötet. Er flieht in seine Burg und heiratet schließlich dessen Witwe. Doch Frau und Herrschaft wird er kurz darauf verlieren und nackt und sinnenlos in einem Wald herumirren, bevor er über mehrere Abenteuer gemeinsam mit einem ihn begleitenden Löwen seine Gattin und sein Ansehen zurückerobern kann.

Hartmanns Iwein setzt auf dem nur wenige Jahrzehnte zuvor entstandenen Yvain Chrétiens de Troyes auf. Damit ist er Teil des französisch-deutschen Kulturtransfers im Hochmittelalter. Hartmann übertrug jedoch nicht nur Chrétiens Text, sondern amplifizierte und variierte ihn wiederholt an neuralgischen Stellen. Den ersten Teil dieser Sitzung bildet eine kurze Einführung zu Hartmann von Aue und seinem Iwein (inklusive ausgewählter bildlicher Darstellungen). Im zweiten Teil werden wir uns insbesondere dem Beginn von Hartmanns Artusroman widmen. Denn hier ist nichts so eindeutig wie es auf den ersten Blick scheinen mag: Wer spricht wann und weshalb zu wem? Welche Effekte ergeben sich aus der Verknüpfung unterschiedlicher Zeitebenen und Sprecher? Warum entschwindet der (primäre) Erzähler für eine lange Passage aus dem Erzählprozess?

Texte: Chrétien de Troyes: Yvain, hg. von H. R. Jauss und E. Köhler, übersetzt von Ilse Nolting-Hauff, S. 16–21; Hartmann von Aue: Iwein, hg. von Volker Mertens, S. 318–347 & S. 360f.

Beitrag im Online-Journal #2: Hartmann von Aue: Dynamiken des Anfangs. Zum Texteingang des ‚Iwein‘ 

09.12.2021

Sarah Bender: Dynamik der Lesarten. Der Protago­nist als frommer Sünder, Ritter und Papst in Hartmanns von Aue Gregorius (Vortrag entfallen)

Mit dem Gregorius steht neben dem Iwein ein zweites, einige Jahre früher entstandenes Werk Hartmanns von Aue im Fokus. Der Protagonist Gregorius ist der Sohn eines adeligen Geschwisterpaares, wird Klosterschüler, Ritter, Einsiedler, schließlich Papst. Zweimal zerstört der Teufel durch verführerische Einflüsterung die höfische Harmonie, ein zweifacher Inzest und Buße sind die Folge. Auch für dieses Werk wurde ein französischer Text als Quelle identifiziert, durch das dynamische Spiel mit sowohl höfischen als auch religiösen Motiven setzt Hartmann eigene Schwerpunkte. Diese werfen jedoch Fragen auf, denen wir uns bei der gemeinsamen Lektüre und Diskussion ausgewählter Textstellen annähern werden: Ist der Gregorius Legende oder höfische Erzählung? Wie ist die so radikale Buße des doppelten, aber vonseiten des Protagonisten unwissentlichen Inzests zu beurteilen? Erschöpft sich der moralische Imperativ des Werks in der im Prolog formulierten Aufforderung zu rechtzeitiger Buße?

Text: Hartmann von Aue: Gregorius, hg. und übers. von Volker Mertens, 3. Auflage, Frankfurt a.M. 2014 (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch 29), S. 9-227 und 779-877 (Kommentar). Im Fokus werden folgende Textstellen stehen: V. 1-176, 2067-2287, 2549-2783, 2955-3018, 3921-4006 (= Ausg., S. 10-19, 122-133, 148-161, 170-173, 222-227)

16.12.2021

PD Dr. Helmut Beifuss: Wolfram von Eschen­bach Willehalm – Gyburg, die Protago­nistin, eine Frau mit vielen Facetten

Wolfram gehört zu den drei profiliertesten Epikern um 1200, die gerne als die Vertreter der ‚höfischen Klassik‘ bezeichnet werden. Mit dem Willehalm vollzieht Wolfram die Abkehr von höfischen Stoffen und wendet sich einer Materie zu, die, aus damaliger Sicht jedenfalls, als historisch einzustufen ist. Offensichtlich traf er damit den Nerv der Zeit, denn sein Werk würde heute in Bestsellerlisten ganz oben stehen. Das Werk ist überaus vielschichtig. Aus einer Auseinandersetzung, deren Ursachen privater Natur waren, wurde ein Glaubenskrieg, bei dem es schließlich auch um den Anspruch der Weltherrschaft ging. Willehalm floh mit Arabel, der Ehefrau des heidnischen Königs Tybalt. Sie lässt sich taufen und heißt fortan Gyburg. Inmitten von kriegerischem Geschehen agiert Gyburg als Protagonistin. Gyburg tritt – als getaufte Heidin – für ihren neuen, den christlichen Glauben ein, sie verteidigt ihn gegen die verbalen Angriffe ihres heidnischen Vaters und argumentiert dabei durchaus auf der Höhe der theologischen Diskussion der Zeit. Eine andere Haltung scheint Gyburg später einzunehmen. Während der Ratsversammlung der christlichen Fürsten ergreift Gyburg das Wort, nun bittet sie die christlichen Kämpfer um die Schonung der heidnischen Feinde. Was kann Schonung der Feinde inmitten kriegerischer Auseinandersetzungen bedeuten? Geht es um Toleranz gegenüber den Andersgläubigen?

Textstellen: Religionsgespräche, 219 // Rede im Fürstenrat, 306/7

Beitrag im Online-Journal #2: Wolfram von Eschenbach ‚Willehalm‘ — Gyburg, die Protagonistin, eine Frau mit vielen Facetten 

13.01.2022

Dr. Markus Greulich: Aristoteles und Phyllis. Dynamiken des Begehrens

Der von einer schönen jungen Frau überlistete Weise ist ein weitverbreitetes Erzählmotiv. Es wurde im europäischen Mittelalter auf einen der wichtigsten Gelehrten der Antike (und des westlichen Denkens überhaupt) appliziert: Aristoteles. In dieser Sitzung werden wir uns mit einer Ausformung dieser Geschichte, mit der vollständig-überlieferten Fassung der mittelhochdeutschen Versnovelle Aristoteles und Phyllis, auseinandersetzen. Sie berichtet davon, wie Aristoteles Lehrer am Königshof wird. Er unterrichtet dort den jungen (und natürlich begabten) Königssohn Alexander – der später Alexander der Große genannt werden wird. Doch die Liebe funkt dazwischen. Anstatt dem Unterricht zu folgen, sitzt der Schüler brummend wie ein Bär im Unterricht. Er hat sich in eine junge Frau verliebt. Aristoteles gelingt es, die Beziehung zu unterbinden. Doch die schöne Frau weiß sich zu rächen … und wird Aristoteles dazu bringen, sich wie ein Pferd satteln und sich durch den Palastgarten reiten zu lassen.

Die Versnovelle Aristoteles und Phyllis zeichnet sich durch eine Reihe von Besonderheiten aus: So besitzt die Verführerin nur in der deutschsprachigen Tradition auch einen Namen: Phyllis. Dieser ist dem literarisch-gebildeten Publikum vertraut. Doch hier begegnet ihm eine durchaus ungewöhnliche Figur. Darüber hinaus werden an mehreren Textstellen Verse aus Gottfrieds von Straßburg Tristan zitiert. Weshalb? Welche Effekte kann dies haben? Und überhaupt: Wenn Aristoteles am Ende enttäuscht auf eine Insel flieht und dort ein Buch schreibt … Was ist das für ein Ende? Was fangen wir mit einem solchen Textschluss an?

Text: Aristoteles und Phyllis, ed. Klaus Grubmüller, S. 492–523, S. 1185–1196.

Beitrag im Online-Journal #2: ‚Aristoteles und Phyllis‘ — Dynamiken des Begehrens 

20.01.2022

Frank Buschmann: die frau der hönerei do lachet / das ers so hübschlich hett gemachet. Zu den Fassungen von Hans Rosenplüts Märe ‚Der fahrende Schüler‘  

Hans Rosenplüts (*um 1400, †1460) Märe ‚Der fahrende Schüler‘ ist in zwei Fassungen überliefert; zu je drei handschriftlichen Textzeugen gesellen sich bei einer Fassung noch ein Druck Konrad Kachelofens (Leipzig, um 1495) und einer Matthäus Elchingers (Augsburg, nach 1520).

Im Märe entdeckt ein gewitzter reisender Scholar den Ehebruch einer Bäuerin mit einem Pfarrer. Als der betrogene Ehemann unerwartet zurückkehrt, nutzt der Scholar die Situation geschickt, um die ihm von der Ehefrau zunächst versagte Unterkunft für die Nacht doch noch zu erhalten. Dazu führt er sowohl den leichtgläubigen Bauern als auch den um sein Leben bangenden Pfarrer vor, während die Bäuerin als lachende Dritte ungeschoren davonkommt.

In der Sitzung wird es einerseits darum gehen, inwiefern Eingriffe in und Änderungen am Text als dynamische Prozesse zu begreifen sind, die Rückschlüsse auf die Text- und Tradierungsgeschichte zulassen. Dazu wird ein Überblick zur Überlieferung geboten sowie anhand exemplarischer Stellen vorgeführt, wie sich Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Textzeugen ermitteln und deuten lassen. Andererseits soll das – durchaus unterhaltsame – Märe selbst in den Blick geraten, wobei Fassungsunterschiede in die Analyse und Interpretation einzubeziehen sind.

Text: Hans Rosenplüt, Der fahrende Schüler (Fassungen I und II), in: Die deutsche Märendichtung des 15. Jahrhunderts, hg. von Hanns Fischer (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters; 12), München 1966, S. 188-201.

Beitrag im Online-Journal #2: die frau der hönerei do lachet / das ers so hübschlich hett gemachet. Zu den Fassungen von Hans Rosenplüts Märe ‚Der fahrende Schüler‘ 

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