Dynamische Entwicklungen von Leserkommentaren zweier Onlinezeitungen zum Thema „Schutzmaßnahmen“ während der Covid-19 Pandemie Eine linguistische Analyse
1. Einleitung
Das Leben vieler Deutscher[^1 In dieser Arbeit wird nach dem generischen Maskulinum gegendert. Wenn möglich, werden zudem Neutralisierungsformen genutzt. Fortwährend sind somit sämtliche Geschlechter gemeint.] hat sich seit der Covid-19 Pandemie verstärkt in den digitalen Raum verlagert. Die Kommunikation erfolgt über Kurznachrichten auf Social-Media-Portalen wie Twitter, Facebook und Instagram, in Foren oder in den Kommentarspalten mannigfaltiger Websites. Das Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen und aufzuzeigen, wie die Leser die Schlagzeilen zum Thema „Schutzmaßnahmen während der Covid-19 Pandemie“ emotional durch ihre Beiträge verarbeiten, und wie sich ihre Reaktion im Laufe der Pandemie verändert. Darüber hinaus soll untersucht werden, ob sich die Schlagzeilen selbst während der Covid-19 Pandemie verändert haben. Somit wird die hier vorgestellte Arbeit der Forderung gerecht, dynamische Aspekte im Sprachgebrauch aufzuzeigen.
Als Datengrundlage werden Schlagzeilen zweier Onlinepräsenzen deutscher Printmedien, einmal zu Beginn der Pandemie im April 2020 und einmal zur Pandemielage im März 2021, auf ihren sprachlichen Wandel hin untersucht und anschließend mit den Kommentaren unter den jeweiligen Artikeln sowohl inhaltlich, als auch sprachlich verglichen.
In der Arbeit werden Kommentar- und Diskussionsforen betrachtet, welche von den Onlinepräsenzen der Zeitungen zur Kommentierung einzelner Artikel eingerichtet wurden. Die Auswahl dieser orientiert sich dabei an der Definition von Fandrych und Thurmair:
Diskussionsforen sind Webseiten, auf denen Internetnutzer zu bestimmten Themen, z. T. auch als Reaktion auf bestimmte Nachrichten (z. B. in Online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften), Weblogs u. ä. eigene Diskussionsbeiträge einschicken können, die dann (oftmals gefiltert durch Moderatoren) – entweder sequenziell oder nach Subthemen (Threads) geordnet auf der jeweiligen Webseite veröffentlicht werden. (Fandrych / Thurmair 2011: 136)
Dabei unterscheidet sich die geschriebene Sprache in Kommentarforen von gesprochener Alltagssprache, welche Lanwer durch drei Aspekte – der Funktion als „zentrales Werkzeug der Objektivation bzw. der Typisierungen von Erfahrungsinhalten und somit als Mittel der intersubjektiven Konstitution von ‚Wirklichkeit‘“ (Lanwer 2015: 24), dem Aufbau als ein „im Rahmen sozialer Handlungen intersubjektiv konstituiertes (sozio-)semiotisches System“ (ebd.: 24) und der strukturellen Eigenschaften, welche „auf die spezifischen Anforderungen der sprachlichen Interaktion in der Face-to-face-Situation im Speziellen zugeschnitten [sind]“ (ebd.: 24) – definiert. Davon ist auszugehen, da Kommentare medial schriftlich, aber konzeptionell mündlich sind und einen asynchronen Sprecherwechsel aufweisen (vgl. Mroczynski 2014: 19).
2. Theoretische Vorüberlegungen
Um die oben genannten Phänomene zu analysieren, wurde in der Arbeit auf die diskurspragmatische Theorie nach Roth zurückgegriffen. Diese zielt darauf ab, „die konkreten interaktionalen Bedingungen zu erfassen, unter denen es zu […] Realisationen des Diskurses kommt […]“ (Roth 2018: 374). Die Besonderheit liegt darin, dass das Analysemodell nach Roth dialogisch-mündliche Gespräche als Daten für ihre Untersuchungen einbezieht. Durch die Sonderstellung der digitalen Kommunikation – die mündliche Konzeption, die schriftliche Realisation und die visuelle Rezeption zusammen mit der quasi Simultanität der Kommunikation, welche es eigentlich nur in medial mündlichen Texten gibt – scheint diese Theorie passend für die Untersuchung dieser Arbeit. Es wird davon ausgegangen, dass digitale Kommunikation, das heißt Foreneinträge, Kommentare, WhatsApp Nachrichten o.ä., aufgrund ihrer Eigenschaften ähnlich wie konzeptionell mündliche Texte analysiert werden können.
Elementar für den Analyseprozess dieser Arbeit ist dabei die im Rahmen der diskurspragmatischen Theorie nach Roth zentrale Sektorenanalyse. Diese „basiert auf der Annahme, dass sich jeder Diskurs aus thematischen Teilaspekten zusammensetzt, die von den Diskursteilnehmern in einer konkreten Interaktionssituation berührt werden können“ (Roth 2018: 376). Mittels einer Sektorenanalyse wird somit ein diskursives Wissen sichtbar, dass in einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zu einem bestimmten Thema gegeben ist. Die Auswahl der Teilaspekte erfolgt dabei jedoch nie zufällig und ist der jeweiligen situativen Bedingung geschuldet. Die Sektorenanalyse hilft dabei, den vorherrschenden Diskurs zu kartieren und die einzelnen Sektoren hinsichtlich dreier Parameter zu kontextualisieren. Es wird empirisch untersucht, wie häufig bestimmte Aspekte eines Sektors von Gesprächsteilnehmern angesprochen werden – dies beschreibt die Zentralität –, wie hoch der interaktive Aufwand ist, d.h. wie häufig findet ein Sprecherwechsel innerhalb des Sektors in Hinblick auf die Gesamtheit der Sprecherwechsel statt – dies beschreibt die Komplexität –, und letztlich, wie früh der Sektor innerhalb der Konversation angesprochen wird – dies beschreibt die Sequentielle Position (vgl. Roth 2018: 376f.).
3. BILD- und ZEIT-Artikel der COVID-19 Pandemie im Zeitraum 12.–22. April 2020
Der Beginn der COVID-19 Pandemie war für Menschen auf der ganzen Welt eine Zeit der Ungewissheit, der ständigen Fragen, der Angst um die Zukunft und vor allem der Angst um die eigene Gesundheit. Welche Emotionen haben Artikel und deren Schlagzeilen zum Ausbruch der COVID-19 Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen im täglichen Leben bei der Bevölkerung ausgelöst? Dieser Teil der Arbeit wird sich auf Artikel konzentrieren, welche zu Beginn der Pandemie veröffentlicht wurden.
3.1 ZEIT-Artikel zum Thema „Mund-Nasen-Schutz“

Abb. 1: Artikel 1
Deutschlandweite Maskenpflicht
Mund-Nasen-Schutz bald in allen Bundesländern Pflicht
Bislang wurde das Tragen einer Maske nur angeraten, jetzt kommt die Pflicht: Im Nahverkehr gilt sie nächste Woche in allen Bundesländern.
Der erste zu untersuchende Artikel (Abb. 1, Artikel 1) stammt aus einer Onlineausgabe der ZEIT vom 22. April 2020. Der Inhalt des Artikels mit der Schlagzeile „Mund-Nasen-Schutz bald in allen Bundesländern Pflicht“ [1][^ [1] https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-04/deutschlandweite-maskenpflicht-coronavirus-mundschutz-einzelhandel-oepnv (Stand: 08.06.2021)], kündigt die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasenschutzes in allen Bundesländern an, welche bis dato ausschließlich eine Empfehlung war. Das Substantiv Pflicht, also die von Normen bestimmte Forderung an das Verhalten und Handeln der Menschen, in der Schlagzeile weist auf die Notwendigkeit hin, etwas tun zu müssen. Das Substantiv kann beim Leser ein Gefühl der Bevormundung, des Zwangs, aber auch der Angst, insbesondere durch den Zusammenhang des Wortes Schutz und dem Kontext der Pandemie, hervorrufen. Die Betonung, dass diese Verpflichtung für alle Bundesländer gelten solle, hebt das Ausmaß der Gefahr im Sinne einer Großflächigkeit hervor, welche die Covid-19 Pandemie mit sich bringt. Das Kompositum Mund-Nasen-Schutz ist ein Neologismus, welcher seit Beginn der Pandemie gehäuft Anwendung in der Kommunikation findet. Das Kompositum tritt in der Schlagzeile zusammen mit dem Wort Pflicht auf und lässt so eine Kausalität zwischen Pandemiegeschehen und Maßnahmen zur Eindämmung entstehen. Die Kommentare unter dem Artikel sind überwiegend negativ, wie in folgendem Beispiel deutlich wird.

Abb. 2: Kommentar aus der Zeit-Online
Ich lehne das Tragen einer Maske kategorisch ab. Weder bekomme ich als Bafög-Student diesen Spaß bezahlt noch bezweifle dessen Wirkung. Unser Gesundheitsminister hat im Januar in Übereinstimmung aller Virologen erklärt, dass die Maske bei Gesunden nichts bringt. Im März wurde erklärt, dass es nicht einmal genügend Masken für die Krankenhäuser gäbe und nun sollen 83 Millionen Deutsche täglich mehrere Masken verwenden?
Der Kommentator „Gelöschter Nutzer 11257“ ist BAföG-Student. Der erste Teil des Kompositums BAföG-Student ist eine Abkürzung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes [2].[^ [2] https://studienwahl.de/finanzielles/finanzierungsmoeglichkeiten/bafoeg (Stand 08.06.2021)] Es bezeichnet umgangssprachlich eine Person, deren Studium vom Staat teilfinanziert wird. Er ist eindeutig gegen die Verpflichtung, zeigt sich empört und teilt seinen Unwillen mit, was durch Adjektive wie kategorisch unterstrichen wird. Unter Bezugnahme auf die Worte des Gesundheitsministers und der Virologen, dass Masken den Gesunden nicht helfen würden, hinterfragt er selbst deren Wirkung und Hilfe beim Schutz der Gesundheit vor Infektionen. Der Kommentator weist folgend auf die, seiner Meinung nach, nicht ausreichend durchdachte Bekämpfung des Coronavirus hin, da es sogar für Krankenhauspersonal an Masken mangle und trotzdem jeder Bürger verpflichtet sein solle, eine Maske zu tragen (vgl. [1]). Obwohl der Kommentar keine Emojis enthält, werden seine Zweifel und seine Kritik dennoch durch die rhetorische Frage am Ende des Kommentars deutlich. In dem Beitrag sind insbesondere zwei Gefühle hervorzuheben: Erstens der explizit geäußerte Zweifel über die Wirksamkeit der Masken und somit ihre Ablehnung. Darüber hinaus ein implizit mit dem letzten Satz zum Ausdruck gebrachtes Unverständnis gegenüber der Entscheidung der Regierung, dass alle Bürger eine Maske tragen sollen, obwohl in Krankenhäusern Masken knapp sind.
3.2 Sektorenanalyse des ZEIT-Artikels zum Thema „Mund-Nasen-Schutz“
Die Inhalte der einzelnen Sätze des Kommentars und deren Verlauf lassen sich in verschiedene Sektoren einteilen, welche im Folgenden mit Hilfe der Sektorenanalyse veranschaulicht und erklärt werden sollen. Eine Sektorenanalyse dient der Zusammenfassung und Verknüpfung von Kommentarinhalten und wird in der folgenden Arbeit angewandt. Sie zeigt auf, in welchem Zusammenhang die Inhalte von Schlagzeile und Kommentar stehen und inwieweit diese voneinander abweichen (vgl. Pappert, Roth 2016: 56).
Im 1. Sektor [Ablehnung der Maskenpflicht] lässt sich der Inhalt des ersten Kommentarsatzes zusammenfassen. Danach folgen die Inhalte des zweiten, dritten und vierten Satzes im 2. Sektor [persönliche Beweggründe]. Anschließend folgen inhaltlich der 3. [Meinung der Spezialisten] und 4. Sektor [Vergleich der aktuellen Situation mit dem Anfang der Pandemie], welche sich im 5. Sektor [Kritik an Maskenpflicht und seine Ablehnung] zusammenfassen lassen.

Abb. 3: Sektorenanalyse 1
Der 1. Sektor wird durch einen Indikativsatz eingeführt, wohingegen der 2. Sektor durch einen Satz mit einer mehrteiligen Konjunktion weder ... noch ... eingeführt wird. Die beiden Sektoren sind miteinander verbunden, da im zweiten der Grund für die Ablehnung der Maskenpflicht erläutert wird. Der 3. Sektor wird durch einen Hauptsatz im Perfekt und einen Nebensatz mit der Konjunktion dass eingeleitet. Sein Inhalt ist ein weiterer Ablehnungsgrund der Maskenpflicht, mit dem der Kommentator seine Entscheidung unterstützt, sodass der Sektor somit in engem Zusammenhang mit den Sektoren 1 und 2 steht. Der 4. Sektor wird durch einen Hauptsatz im Passiv, ebenfalls durch einen Nebensatz mit der Konjunktion dass und einen weiteren Hauptsatz, der als rhetorische Frage formuliert wurde, eingeleitet. Der gesamte Abschnitt ist ein Vergleich und bezieht sich eindeutig auf den Gegenstand der vorangegangenen Sektoren, wobei gleichzeitig Zweifel am Sinn der verhängten Pflicht geäußert werden. Der fünfte und letzte Sektor ist eine Zusammenfassung aller vier, die in ständiger thematischer Relation zueinander stehen und eine Kritik an der Maskenpflicht zum Ausdruck bringen. Da alle Sektoren in Korrelation zueinander stehen und sich aufeinander beziehen, lässt sich feststellen, dass sie in einer dynamischen Relation zueinander stehen, die durch ihre Verbindungen entsteht.
Nach der inhaltlichen Zusammenfassung lässt sich feststellen, dass die Schlagzeile des Artikels der ZEIT und der beschriebene Kommentar das gleiche Thema ansprechen, welches in diesem und in den meisten anderen Kommentaren kritisiert wurde: Die Maskenpflicht stößt auf Ablehnung und erregt Missfallen bei den Kommentatoren.
3.3 BILD-Artikel zum Thema „Schließung der Bildungseinrichtungen“

Abb. 4: Artikel 2
Kitas, Schulen, Theater, Kinos
Corona-Krise: Halle macht dicht
Alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt
Der zweite zu untersuchende Artikel (Abb. 4, Artikel 2) stammt aus einer Onlineausgabe der BILD vom 12. März 2020, welcher auf Facebook gestellt wurde und dessen Inhalt die Schließung der Schulen, Kitas und Horte betrifft. In der Schlagzeile „Corona-Krise: Halle macht dicht. Alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt“ [3][^ [3] https://www.bild.de/regional/sachsen-anhalt/sachsen-anhalt-news/coronavirus-halle-schliesst-alle-kitas-und-schulen-69351140.bild.html (https://www.facebook.com/bild/posts/10159263785825730) (Stand: 09.06.2021)] löst das Wort Krise beim Leser, durch die dem Wort innewohnende negative Konnotation, vor allem Angst und Beklemmung aus. Halle hat als erste Großstadt in Deutschland alle oben genannten Institutionen geschlossen. Halle wird in diesem Satz als Synekdoche verwendet, bei welcher die Stadt stellvertretend für die Stadtverwaltung genannt wird, welche die Maßnahmen beschlossen hat.

Abb. 5: Kommentar aus der BILD auf Facebook
Traurig das nicht daran gedacht wird wo die Kinder hin sollen wenn Eltern arbeiten müssen. Weil die Großeltern sollen ja auch nicht auf die Kinder aufpassen laut Medien. Das ist so Panikmache alles. 🤷🏽♀️ ohne Worte
Der Kommentar bringt zum Ausdruck, dass sich jemand zu Hause um die Kinder kümmern muss, während die Eltern auf Arbeit sind (vgl. [3]). Der Kommentator „Laura Ga“ weiß nicht, wie er mit dieser Situation umgehen soll, was von seiner Hilflosigkeit und dem Gefühl, im Stich gelassen zu werden, zeugt. Er beschreibt die gesamte Situation und alle Maßnahmen während der COVID-19 Pandemie als Panikmache, welches oft in alltagssprachlichen Kontexten verwendet wird und abwertend konnotiert ist. Seine Ratlosigkeit wird durch das Emoji am Ende der Aussage hervorgehoben [4]. Zum Schluss schreibt er ohne Worte, was als ein Ausdruck von Ratlosigkeit und Ablehnung interpretiert werden kann.
3.4 Sektorenanalyse des BILD-Artikels zum Thema „Schließung der Bildungseinrichtungen“
Der Inhalt des ersten Satzes lässt sich im 1. Sektor [Problem der Kinderbetreuung] zusammenfassen. Daraus folgt der Inhalt des zweiten Satzes im 2. Sektor [Bericht der Medien über die Empfehlung]. Dann folgt der Inhalt des 3. Sektors [Panikstimmung], welcher den 4. Sektor [Ausdruck der Hilflosigkeit] zur Folge hat. Die Satzellipse ist im 5. Sektor [Fehlendes Verständnis für die Situation der Eltern und Verzweiflung] zu verorten.

Abb. 6: Sektorenanalyse 2
Der 1. Sektor wird durch einen langen Satz eingeleitet, der mit dem Adjektiv traurig beginnt, und in dem fälschlicherweise keine Kommata vor den Fragewörtern wo und wenn verwendet werden. Das am Anfang des Satzes verwendete Adjektiv unterstreicht die Reaktion des Kommentierenden auf das vorliegende Problem. Der 2. Sektor, der die Medienempfehlung enthält, beginnt mit der Konjunktion weil, doch obwohl es sich um einen neuen Satz handelt, ist er durch diese Konjunktion inhaltlich eng mit dem ersten Sektor verbunden. Der 3. Sektor wird hingegen durch einen einfachen Satz eingeleitet, der in gewisser Weise eine Zusammenfassung der ersten beiden Sektoren darstellt, sodass sie in Relation zueinander bleiben. Der 4. Sektor wird mit einem Emoji, das eine Figur mit zuckenden Schultern darstellt, eingeführt und enthält eine Satzellipse. Er dient als Antwort auf den dritten Sektor, da der Kommentierende, der ohne Worte schreibt, sich auf Panikmache aus dem vorherigen Sektor bezieht. Der letzte Sektor fasst den Inhalt aller Sektoren zusammen und steht somit in enger Relation zu diesen. Was den Inhalt dieses Kommentars betrifft, entsteht eine dynamische Beziehung zwischen den Sektoren, da jeder aufeinanderfolgende Sektor in einer bestimmten Beziehung zu den vorhergehenden steht, indem er sich thematisch auf sie bezieht. Anhand der inhaltlichen Zusammenfassung lässt sich erkennen, dass die Kommentare mit der Schlagzeile korrelieren, weil die Kommentierenden sich auf die Entscheidung der Stadt Halle, sämtliche Einrichtungen und Veranstaltungen zu schließen, beziehen, indem sie die, ihrer Meinung nach, Sinnlosigkeit dieser Entscheidung zum Ausdruck bringen. Ferner wird auf die Konsequenzen eingegangen, die mit dem in der Schlagzeile genannten Entschluss einhergehen. Durch den Gebrauch von rhetorischen Fragen wollen auch andere Kommentierende zum Nachdenken über ihre Beiträge anregen.
4. BILD-Artikel zur Lage der COVID-19 Pandemie im Zeitraum März und Juni 2021
Die 2019 ausgebrochene COVID-19 Pandemie zählt auch 2021 noch zu den am häufigsten in den digitalen und analogen Medien diskutierten Themen in Deutschland und weltweit. Auf Social-Media-Plattformen oder in Zeitungen werden täglich Artikel zum Pandemiegeschehen und die damit einhergehenden Schutzmaßnahmen veröffentlicht. Im Folgenden soll auf einen Artikel (Abb. 7, Artikel 3) der BILD-Zeitung eingegangen werden, welcher im März 2021 über Schutzmaßnahmen in Form des Lockdowns in Deutschland berichtet. Die Reaktionen sowie eine eventuelle Beeinflussung der Leserschaft durch die provozierenden Schlagzeilen der BILD-Zeitung werden anhand der Kommentare auf der Social-Media-Plattform Facebook analysiert.

Abb. 7: Artikel 3
Verschärfte Corona-Maßnahmen
Will Merkel jetzt die ganze Macht?
Mega-Lockdown notfalls durch neues Gesetz ++ Wer dagegen Lockerungen will
Die Kanzlerin will die Corona-Maßnahmen noch einmal verschärfen, verlangt einen Mega-Lockdown!
Der Artikel macht mit roten Majuskeln und fett gedruckter Überschrift auf sich aufmerksam: „VERSCHÄRFTE CORONA-MASSNAHMEN – Will Merkel jetzt die ganze Macht? – Mega-Lockdown notfalls durch neues Gesetz ++ Wer dagegen Lockerungen will“ [5].[^ [5] https://www.bild.de/bild-plus/politik/inland/politik-inland/verschaerfte-corona-massnahmen-will-merkel-jetzt-die-ganze-macht-75903708.bild.html (https://www.facebook.com/bild/posts/10160531791765730) (Stand: 02.06.2021)] Ergänzt wird die Schlagzeile durch die Subline „Die Kanzlerin will die Corona-Maßnahmen noch einmal verschärfen, verlangt einen Mega-Lockdown!“ [5]. Veröffentlicht wurde der Artikel am 29. März 2021 von den BILD-Journalisten Lydia Rosenfelder, Ralf Schuler und Peter Tiede („Chefreporter Politik BILD GmbH & Co. KG“ [6]),[^ [6] https://de.linkedin.com/in/peter-tiede-935b96b6 (Stand: 02.06.2021)] welche bereits zuvor Artikel zur COVID-19 Pandemie veröffentlichten. Auffällig ist vor allem die hohe Reichweite des Facebook-Beitrags, dieser wurde 2.663 Mal mit „gefällt mir“ markiert, 240 Mal geteilt und 1.989 Mal kommentiert (Stand 02.06.2021) (vgl. [5]).
4.1 BILD-Artikel zum Thema „Mega-Lockdown“
Die Schlagzeile des Artikels könnte gezielt zur Beeinflussung der Emotionen von BILD-Leser:innen konstruiert worden sein, da die BILD als Boulevardzeitung dafür bekannt ist und somit das Ziel verfolgt, Unterhaltung durch Provokation und Sensation zu generieren (vgl. [7]).[^ [7] https://www.sueddeutsche.de/thema/Bild-Zeitung (Stand 02.06.2021)] Das in roten Versalien hervorgehobene Wort verschärfte könnte bei der Leserschaft ein negatives Gefühl der Bedrohung und Beengung auslösen, da die bestehenden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen der Bevölkerung offensichtlich noch einmal verstärkt werden sollen. Zudem wird mit der Frage, ob die Bundeskanzlerin Angela „[…] Merkel jetzt die ganze Macht […]“ [5] Deutschlands für sich gewinnen wolle, eine indirekte Frage provoziert. Lesende könnten sich dadurch von einem Szenario bedroht fühlen, welches sie sich vor dem Lesen dieses Artikels nicht vorgestellt hätten. Fortgesetzt wird die Strategie der bewussten Beeinflussung durch die Verwendung des Adjektivs mega in der Hyperbel Mega-Lockdown und der Eventualität eines neuen Gesetzes zur Verschärfung der Schutzmaßnahmen und die damit einhergehenden Einschränkungen für die Bevölkerung. Das Einflussvermögen dieser Schlagzeile lässt sich in den Kommentaren unter dem Facebook-Artikel gut erkennen. Im Anschluss soll ein solcher Kommentar genauer untersucht werden; auch soll auf die Verwendung von Alltagssprache eingegangen werden.

Abb. 8: Kommentar aus der BILD-Zeitung auf Facebook
Wo sollen die Kontakte noch verschärft werden??? Dass man sich mit gar keinem mehr treffen darf?? Und wohin sollte man nach 21 ausgehen wenn eh alles zu und verboten ist? 🙈 fällt den da sonst nix mehr ein ?
Der Kommentar des Lesers „Natalia Saul“ mit Facebook-Account fällt durch seine hohe Anzahl an Likes auf. 261 Nutzer der Social-Media-Plattform können sich offenbar mit ihrer Aussage identifizieren oder liken diese. Zudem wurde 22 Mal von anderen Nutzern auf den Kommentar geantwortet (vgl. [5]). Die Verzweiflung und Verärgerung des Lesers macht sich bereits im ersten Satz bemerkbar. „Wo sollen die Kontakte noch verschärft werden???“ (vgl. [5]) wird die Bundeskanzlerin, die Leserschaft oder die Allgemeinheit gefragt und die Frage mit drei Fragezeichen abgeschlossen, um deren Dringlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Mit dem Fragewort Wo erkundigt sich der Kommentator, in welchen Bereichen weitere Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Er setzt voraus, dass seine Aussage so verstanden wird. Im Idealfall hätte allerdings das Fragewort Wie gebraucht werden müssen. Mit der Verwechslung von Wo und Wie wird die Verwendung von Alltagssprache deutlich und es lässt sich vermuten, dass der Kommentar aus dem Affekt verfasst wurde.
Es folgen drei weitere Fragesätze, welche bevorstehende und erweiterte Schutzmaßnahmen thematisieren. Somit besteht der Kommentar ausschließlich aus Fragen, welche teilweise rhetorischer Natur sind und keine direkte Antwort benötigen. Der Kommentator kann stellvertretend für einen Teil der ratlosen und verwunderten Bevölkerung angesehen werden – dies bestätigen auch die vielen Likes zu dem Kommentar. Reagiert wird auf einen verschärften Lockdown und die damit verbundenen weiteren Einschränkungen für die Bevölkerung. Der Kommentator ist offenbar über die Kontaktbeschränkungen verärgert und fragt, wie diese noch weiter verschärft werden sollten, und ob „[…] man sich mit gar keinem mehr treffen darf??“ [5]. Auch diese Frage wird mit zwei Fragezeichen abgeschlossen und somit eine diesbezügliche Verwunderung betont. Auffällig ist der unvollständige Satzbau: „Dass man sich mit gar keinem mehr treffen darf […]“ [5] ist keine Frage, sondern ein Nebensatz, welcher hier nicht durch einen Hauptsatz ergänzt, sondern durch zwei Fragezeichen abgeschlossen wird. Zudem geht der Kommentator davon aus, dass die Lesenden des Kommentars wissen, dass mit „[…] gar keinem […]“ „[…] gar keine[] [Menschen, E.D.] […]“ gemeint sind. Die Verwendung von Alltagssprache wird auch in diesem Satz deutlich.
Im dritten Satz kritisiert der Nutzer „Natalia Saul“ zudem die Ausgangssperre nach 21 Uhr, während der „[…] eh alles zu und verboten ist […]“ [5]. Der Nutzer fragt, wohin man überhaupt gehen solle, da man sich ohnehin während der Sperrstunde mit niemandem treffen könne. Nach der Angabe der Zeit erfolgt kein „Uhr“; der Kommentator nennt ausschließlich die Zahl und geht davon aus, verstanden zu werden. Abgeschlossen wird der Fragesatz mit einem Emoji, welches einen Affen mit zugehaltenen Augen abbildet [vgl. 5]. Womöglich möchte der Kommentator mit diesem Symbol seine Verzweiflung zum Ausdruck bringen; das Emoji erinnert an die Gestik des entsetzten Hände-über-dem-Kopf-Zusammenschlagens. Beendet wird der Beitrag mit der Frage: „[F]ällt den da sonst nix mehr ein ?“ [5], mit welcher Wut und Abneigung gegenüber der Politik und den immer verschärfteren Lockdown ausgedrückt wird. Mit der Kurzform den für denen soll vermutlich die Regierung bzw. Angela Merkel im Speziellen gemeint sein. Durch die Verwendung der Kurzform nix für nichts wird erneut die alltagssprachliche und eventuell dialektal gefärbte Schreibweise des Kommentators deutlich. Zudem lässt sich vor dem letzten Fragezeichen ein überflüssiges Leerzeichen erkennen, was beispielsweise unbeabsichtigt durch zu schnelles Tippen entstehen kann.
4.2 Sektorenanalyse des BILD-Artikels zum Thema „Mega-Lockdown“
Zur inhaltlichen Zusammenfassung und Analyse der Satzzusammenhänge wird im Folgenden die bereits vorgestellte Sektorenanalyse durchgeführt: Der inhaltliche Kern des ersten Kommentarsatzes lässt sich im Sektor 1 [verschärfte Kontaktbeschränkungen] zusammenfassen. Daran schließen sich die gebündelten Inhalte des zweiten Satzes in Form des 2. Sektors an [komplettes Kontaktverbot]. Anschließend folgen die Inhalte des dritten Satzes, die im 3. Sektor zusammengefasst werden [Ausgangssperre]. Dieser hat den 4. Sektor [allgemeine Verbote] und den 5. Sektor [Freiheits- und Möglichkeitsentzug] zur Folge. Der letzte Satz des Kommentars lässt sich inhaltlich im 6. Sektor [Einschränkung / Bestrafung von „oben“] zusammenfassen.

Abb. 9: Sektorenanalyse 3
Die einzelnen Sektoren bauen aufeinander auf und stehen in einem linearen Zusammenhang. In den Sektoren 1 und 2 wird vom Spezifischen auf das Allgemeine geschlossen, wohingegen die Sektoren 3, 4 und 5 umgekehrt vom Allgemeinen auf das Spezifische zielen. So sorgt der Kommentator für einen dynamischen Text und drückt seine Verzweiflung sowohl im Hinblick auf die Zukunft, als auch rückblickend aus. Der letzte Satz bildet neben einem eigenen Sektor eine inhaltliche Zusammenfassung des gesamten Kommentars und bezieht sich auf jeden einzelnen Sektor. Alle Sätze und somit auch alle Sektoren hängen direkt oder indirekt zusammen, wodurch sich trotz anfänglichem Durcheinander eine klare inhaltliche Linie des Kommentars erschließen lässt.
Anhand der inhaltlichen Zusammenfassung lässt sich erkennen, dass die Schlagzeile des BILD-Artikels zu etwaigen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen viel Spielraum für Eigeninterpretationen seitens der Leserschaft offenlässt, diese jedoch überwiegend negativ beeinflusst wird und die Schlagzeile so für einen verstärkten Pessimismus sorgt.
5. ZEIT-Artikel zur Lage der COVID-19 Pandemie im Mai 2021
5.1 ZEIT-Artikel zum Thema „Impfprivilegien“
Zur Eindämmung Covid-19 wurden und werden weltweit zahlreiche gesundheitspolitische Gegenmaßnahmen getroffen, welche unter anderem die sozialen Kontakte stark einschränken. Die Ungewissheit, wann die Covid-19 Pandemie ein mögliches Ende nehmen wird und wann Lockerungen stattfinden werden, wird auch in der Zeitung DIE ZEIT thematisiert. Welche Emotionen die Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen und die damit verbundenen neuen Regelungen im täglichen Leben der aktuellen Pandemiesituation bei den Menschen ausgelöst haben, soll im Folgenden untersucht werden.

Abb. 10: Artikel 4
Corona-Lockerungen: Was Geimpfte und Genesene jetzt wieder dürfen – und beachten müssen
Wer vollständig geimpft oder von Corona genesen ist, darf nun wieder mehr Menschen treffen und muss Ausgangssperren nicht länger einhalten. Die Maskenpflicht aber bleibt.
Der zu untersuchende Artikel (Abb. 10, Artikel 4) stammt aus der Online-Zeitung Zeit-Online und wurde am 09. Mai 2021 veröffentlich. Der Inhalt des Artikels mit der Schlagzeile „Was Geimpfte und Genesene jetzt wieder dürfen- und beachten müssen“ [8],[^ [8] https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-05/corona-lockerungen-geimpfte-genese-ausgangssperre-grundrecht (Stand: 07.06.2021)] thematisiert neue Corona-Verordnungen der Bundesrepublik Deutschland. Der Untertitel „Wer vollständig geimpft oder von Corona genesen ist, darf nun wieder mehr Menschen treffen und muss Ausgangssperren nicht länger einhalten. Die Maskenpflicht aber bleibt“ [8], verrät ein wenig mehr über den Inhalt und regt eine Vielzahl von Menschen zum Kommentieren des Artikels an. Auffällig in der Überschrift ist, dass der Verfasser des Artikels die Lesenden über neue politische Entscheidungen zum Corona-Virus und die damit verbundene bestehende Maskenpflicht aufklären möchte.

Abb. 11: Kommentar aus der Zeit-Online
"Wer täuscht, fliegt schneller auf, als er denkt, und riskiert ein Strafverfahren."
Na, da sind wir ja mal gespannt, ob irgendwelche Billiglohn-Security-Bengel, Pizzabäcker oder Verlaufsberater im Möbelhaus erkennen können (und wollen), ob ein Impfausweis gefälscht ist.
Dass die Nutzer damit nicht am Flughafen auftauchen sollten, dürfte fast jedem klar sein. Aber für den normalen Alltag wird vielen auch ein Fakeausweis reichen, ist zu vermuten, denn mehr als ein schneller Blick auf dem Impfaufkleber dürfte bei der Masse an täglich zu kontrollierenden sowieso nicht geschehen.
Den Kommentaren unter dem Artikel lässt sich entnehmen, dass eine Diversität zwischen den Meinungen der Kommentierenden herrscht. Neben skeptischen bzw. Corona-Virus verleugnenden Kommentaren lassen sich auch Kommentare von Lesern erkennen, die mit Erleichterung auf die neuen Lockerungen der Schutzmaßnahmen reagieren. Der Kommentar des Verfassers mit dem geschlechtsneutralen Nutzernamen „mawapi“ soll nun genauer untersucht und im Hinblick auf die Alltagssprache analysiert werden.
Zunächst fällt auf, dass der Kommentar mit 10 Sternen bewertet wurde (vgl. [8]). Dies bedeutet, dass der Kommentar 10 weiteren Personen gefällt oder diese gegebenenfalls die gleiche Meinung teilen. Dem Kommentar ist zu entnehmen, dass der Verfasser einen Satz aus dem Artikel zitiert und darauf Bezug nimmt: „Wer täuscht, fliegt schneller auf, als er denkt, und riskiert ein Strafverfahren.“ [8]. Dies bezieht sich auf den Nachweis der Covid-19 Impfung im Impfpass. Jedoch erscheint diese Mitteilung für den Verfasser des Kommentars unglaubhaft. Ausgedrückt wird dies, indem er schreibt: „Na, da sind wir ja mal gespannt, ob irgendwelche Billiglohn-Security-Bengel, Pizzabäcker oder Verlaufsberater [sic!] im Möbelhaus erkennen können (und wollen), ob ein Impfausweis gefälscht ist.“ [8]. Weiterhin lässt sich sagen, dass sich die Skepsis des Verfassers dadurch bemerkbar macht, da dieser ironisch wird. Seiner Auffassung nach sind „Billiglohn-Security-Bengel“, Pizzabäcker oder Verkaufsberater im Möbelhaus nicht qualifiziert genug, um einen Nachweis der Covid-19 Impfung im Impfpass zu erkennen. Darüber hinaus zweifelt er an dem Interesse der Arbeitnehmer und -geber, einen Impfnachweis gezielt zu überprüfen. Auffällig wird in diesem Satz außerdem, dass der Verfasser Ordnungs- und Sicherheitsangestellte degradiert, indem er das Wort Billiglohn-Security-Bengel verwendet. Eine gewisse Kritik am gesetzlichen Mindestlohn wird erkennbar, da der Kommentierende mit dem Begriff Billiglohn auf die Vergütung der Arbeitnehmer im Ordnungs- und Sicherheitsdienst anspielt. Eine Bewertung dieser Arbeitnehmer wird vorgenommen, in dem sie als Bengel beschrieben werden; dies könnte von persönlichen negativen Erfahrungen herrühren. Besonders hervorzuheben ist ebenfalls, dass der Verfasser aus der Wir-Perspektive schreibt. Somit gewinnt er das Vertrauen der Leserschaft. Das Personalpronomen wir vermittelt ein Gefühl von Gemeinschaft und kann dahingehend interpretiert werden, dass der Verfasser überzeugt davon ist, nicht der einzige zu sein, der diese Meinung hat. Diese Annahme lässt sich untermauern, da der Beitrag, wie bereits erwähnt, von 10 weiteren Personen mit einem Stern markiert wurde.
Mit den nächsten Sätzen „Dass die Nutzer damit nicht am Flughafen auftauchen sollten, dürfte jedem klar sein. Aber für den normalen Alltag wird vielen auch ein Fakeausweis reichen, ist zu vermuten, denn mehr als ein schneller Blick auf dem Impfaufkleber dürfte bei der Masse an täglich zu kontrollierenden sowieso nicht geschehen.“ [8], wird die Skepsis an der ordnungsgemäßen Kontrollen der Covid-19-Impfungen erneut dargestellt. Der Kommentator ist sich sicher, dass die Fakeausweise mit den eingetragenen Nachweisen der Covid-19-Impfung nicht am Flughafen benutzt werden, sondern im alltäglichen Leben. Er möchte auf die Ernsthaftigkeit des Themas aufmerksam machen, indem er mit diesem Beispiel die Sachlage darstellt. Zudem schätzt der Kommentator seine Mitmenschen intelligent genug ein, um gefälschte Impfausweise nicht an Flughäfen zu nutzen. Hier verallgemeinert er und geht davon aus, dass Fluggäste nicht das Risiko eingehen werden, einen Dokumentenmissbrauch durchzuführen. Im darauffolgenden Satz wird erwähnt, dass die gewissenhafte, kritische Kontrolle der Impfpässe nicht gewährleistet werden kann. Der Verfasser bringt mit seinem Kommentar indirekt Kritik gegenüber der Corona-Politik zum Ausdruck. Aus seiner Perspektive ist die Kontrolle über erhaltene Covid-19-Impfungen nicht realisierbar, da weder Kontrolleure wie beispielsweise die „Billiglohn-Security-Bengel“ qualifiziert genug sind, die Kontrollen ordnungsgemäß durchzuführen, noch die Zeit im Alltag dafür reicht [vgl. 8]. Zur Schriftsprache lässt sich sagen, dass bis auf die Abwertung der Ordnungs- und Sicherheitsdienstarbeiter sehr sachlich geschrieben wurde. Satzzeichen und die aktuelle Rechtschreibung wurden größtenteils berücksichtigt. Es ist festzustellen, dass der Kommentar eine eindeutige Stellung zum Nachweis der Covid-19 Impfung liefert.
5.2 Sektorenanalyse des ZEIT-Artikels zum Thema „Impfprivilegien“
Die Inhalte der einzelnen Sätze des Kommentars und deren Verlauf lassen sich außerdem in verschiedene Sektoren einteilen. Der Inhalt des ersten Satzes lässt sich in Sektor 1 einordnen [Strafverfahren nach Täuschung], welcher zwar zuerst genannt wird, allerdings als inhaltliches Resultat des Kommentars gilt. Dem 2. Sektor lässt sich der nächste Satz zuordnen [(Nicht-)Erkennen von Täuschungen]. Darauf folgt inhaltlich im nächsten Satz Sektor 3 [Täuschungen nicht an Flughäfen]. Abschließend lässt sich zu Sektor 4 [Täuschungen im Alltag ] und Sektor 5 [Freiheits- und Möglichkeitsentzug] der letzte Satz zuordnen (vgl. Pappert, Roth 2016: 56). Anhand der einzelnen Sektoren lässt sich eine Steigerung erkennen. Der Verfasser zeigt mögliche Konsequenzen auf, welche im Falle eines erkannten Täuschungsversuchs mit gefälschtem Impfpass am Flughafen einträten. Die Besorgnis wird somit deutlich und die Problemlage verschärft sich.

Abb. 12: Sektorenanalyse 4
Abschließend lässt sich sagen, dass die Positionierung des Verfassers sehr deutlich wird. Die einfache Sprache ermöglicht der Leserschaft den Zugang zur Nachricht. Das Problem, welches der Verfasser anspricht, ist bedeutend, denn es betrifft das Wohlergehen der Bevölkerung. Durch seine extremen Beispiele und der ironischen Art wirkt der Verfasser sehr ernst und kritisierend. Mit dem Personalpronomen wir konnte er Nähe zur Leserschaft aufbauen. Es erzeugt eine Verbindung zur Leserschaft und konstituiert eine kritische Denkweise.
6. Fazit
Anhand der vorliegenden Analyse der verschiedenen Schlagzeilen und Kommentare der beiden Medien DIE ZEIT und BILD ergibt sich ein recht deutliches Bild bezüglich der journalistischen Qualität der Schlagzeilen sowie des Inhalts der Kommentare. Dabei fällt bei der Sektorenanalyse auf, dass die zeitlichen Unterschiede (April 2020 bzw. März und Juni 2021) nicht sehr gravierend sind. Es lässt sich von Beginn der Covid-19-Pandemie an bis zur aktuellen Pandemielage auf der Basis unserer Daten keine Zunahme an Kommentaren verordnen, welche kritisch zum dargebotenen Problem stehen. Auch wurde kein Anstieg an emotionalen Schlagzeilen vermerkt. Dafür änderte sich der Fokus ausgehend von der Pandemielage mit Infizierten- bzw. Todeszahlen hin zu Corona-Schutzmaßnahmen und Impffortschritten. Somit waren dynamische Veränderungen weniger auf der emotionalen Ebene als vielmehr auf der inhaltlichen Ebene erkennbar.
Große Unterschiede waren zwischen den jeweiligen Medien zu erkennen. So zeichneten sich die Schlagzeilen der ZEIT vor allem durch ihre nüchterne, fakten-basierte und sachliche Art aus, welche die Inhalte der Artikel stets gut zusammenfassten. Die Kommentare der Leserschaft waren sachlich, wenn auch teils kritisch formuliert. Sie bezogen sich direkt auf die Inhalte der Artikel und deren Schlagzeilen, sie wiesen eine gehobenere Sprache auf, bei der es sowohl zu weniger grammatikalischen und lexikalischen Fehlern kam. Auch wurde weniger emotional kommuniziert. Wurden Emotionen in den Kommentaren zum Ausdruck gebracht, geschah dies vermehrt durch sarkastische Formulierungen, häufig in Verbindung mit rhetorischen Fragen, wie zum Beispiel: „Im März wurde erklärt, dass es nicht einmal genügend Masken für die Krankenhäuser gäbe und nun sollen 83 Millionen Deutsche täglich mehrere Masken verwenden?“ [1]. Die am häufigsten ausgedrückten Emotionen waren dabei Unverständnis, Zweifel oder Ratlosigkeit. Auffallend im Kommentarforum der ZEIT war die, im Vergleich zu den Kommentarsektionen der BILD auf Facebook, geringere Interaktion der Lesenden in Form von Folgekommentaren oder Likes. Unklar ist hier, ob dies mit dem Konsumverhalten der Lesenden, dem Zugang zu den Kommentarbereichen oder der Nutzeranzahl der jeweiligen Onlinepräsenzen in Korrelation steht.
Im Vergleich dazu kam es in der Kommentarsektion der BILD zu einer höheren Interaktion der Lesenden. Dies könnte im Zusammenhang mit deren reißerischen, teils spekulativen und emotionalen Schlagzeilen stehen. Die Ergebnisse der Analyse zeigten, dass die Schlagzeilen der BILD weniger nüchtern und faktisch sind als die der ZEIT. Dies wird durch das Verwenden von Wörtern wie Krise oder Phrasen wie Halle macht dicht [3], welche Angst und ein Gefühl des Gefangen-seins vermitteln können, deutlich. Die Kommentare unter den Artikeln des Facebook-Beitrags der BILD waren im Vergleich zu denen der ZEIT losgelöster von den Schlagzeilen, was durch die Sektorenanalyse bestätigt werden konnte. Sie waren kürzer in ihrem Umfang und verstärkt emotional verfasst, was durch rhetorische Fragen, Polemik, aber vor allem durch das Verwenden von Emojis zum Ausdruck gebracht wurde. Neben der häufig auftretenden Unsicherheit zeigten sich viele der Kommentierenden wütend, niedergeschlagen oder verzweifelt. Dies wurde oftmals durch die thematische Verbindung der Corona-Schutzmaßnahmen mit Gewerbetreibenden oder Kindern und Jugendlichen ausgedrückt. Auch fanden sich in diesen Kommentaren vermehrt alltagssprachliche Formulierungen und dialektale Färbungen, wie zum Beispiel die Verwendung von nix statt nichts sowie grammatikalische und lexikalische Fehler.
Fortführend wäre eine ausgeweitete Untersuchung des Kommentarverhaltens der Lesenden, vor allem in Hinblick auf die quantitativen und qualitativen Unterschiede zwischen den beiden Zeitungen, interessant.